Fehlerhafte Klinikabrechnungen geprüft
Fehlerhafte Klinikabrechnungen geprüft, Pixabay/Foto illustrativ

Mehr als jede zweite geprüfte Krankenhausrechnung in Berlin und Brandenburg wurde 2024 als zu hoch bewertet. Krankenhäuser müssen nach aktuellen Prüfungen rund 120 Millionen Euro an gesetzliche Krankenkassen zurückzahlen. Die Ergebnisse stammen aus der Jahresstatistik des Spitzenverbandes der Krankenkassen, die von rbb|24 ausgewertet wurde.

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Medizinischer Dienst prüft Krankenhausabrechnungen

Im Jahr 2024 überprüfte der Medizinische Dienst (MD) in Berlin und Brandenburg insgesamt 117.700 Krankenhausrechnungen. In 55 Prozent der Fälle stellten die Prüfer fest, dass die Abrechnung zu hoch oder fehlerhaft war. Der durchschnittliche Korrekturbetrag betrug laut Statistik 2.279 Euro pro Fall. Damit summierten sich die Rückforderungen auf 120 Millionen Euro in beiden Bundesländern. Bundesweit belief sich der Betrag auf 1,19 Milliarden Euro.

Die Überprüfungen betrafen vor allem Leistungen, bei denen Krankenkassen Unstimmigkeiten vermuteten. Dazu zählen fehlerhafte Angaben zur Verweildauer von Patienten, zur Kodierung von Diagnosen oder zu den berechneten medizinischen Maßnahmen.

Wenn eine Klinik und eine Krankenkasse nach einer Prüfung unterschiedlicher Meinung bleiben, folgt häufig ein sogenanntes Erörterungsverfahren. 2024 wurden in Berlin und Brandenburg etwa 8.300 solcher Verfahren geführt. Kommt es zu keiner Einigung, können beide Parteien den Fall vor Gericht bringen.

Prüfquote und rechtliche Grundlagen

Die Zahl der Rechnungen, die der Medizinische Dienst pro Klinik prüfen darf, ist gesetzlich begrenzt. Sie liegt je nach Anteil fehlerhafter Abrechnungen einer Klinik zwischen 5 und 15 Prozent aller Fälle pro Quartal. Kliniken, die besonders viele Beanstandungen aufweisen, müssen mit einer höheren Prüfquote rechnen. Wenn weniger als 20 Prozent der geprüften Rechnungen korrekt sind, dürfen Krankenkassen unbegrenzt prüfen.

Im Durchschnitt lag die Prüfquote 2024 bei 10 Prozent aller Krankenhausabrechnungen. Das bedeutet, dass die Ergebnisse nur einen kleinen, aber repräsentativen Ausschnitt der gesamten Rechnungsmenge darstellen.

Ein Sprecher der Charité erklärte, die veröffentlichten Zahlen spiegelten in erster Linie die Ergebnisse der Erstbegutachtungen wider. Nachträgliche Korrekturen, etwa nach Widersprüchen oder gerichtlichen Verfahren, seien nicht berücksichtigt. Die tatsächlichen Anteile fehlerfreier Rechnungen seien höher, genaue Zahlen nannte die Klinik jedoch nicht.

Ergebnisse der größten Kliniken der Region

Die Daten des zweiten Quartals 2025 zeigen deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Häusern. Bei den größten Kliniken der Region wurden mehr als die Hälfte der geprüften Rechnungen beanstandet:

  1. Charité (Berlin): 60 Prozent fehlerhafte Abrechnungen bei 1.963 geprüften Fällen
  2. Vivantes-Kliniken (Berlin): 52 Prozent von 2.639 Rechnungen
  3. Ernst-von-Bergmann-Klinikum (Potsdam): 52 Prozent
  4. Medizinische Universität Lausitz – Carl Thiem (Cottbus): 55 Prozent
  5. KMG Klinikum Nordbrandenburg GmbH (Wittstock, Kyritz, Pritzwalk): 62 Prozent
  6. Helios-Klinikum (Bad Saarow): 69 Prozent
Prüfungen in Krankenhäusern
Prüfungen in Krankenhäusern, Pixabay/Foto illustrativ

Damit zeigte sich, dass über 50 Prozent der geprüften Rechnungen in der Hauptstadtregion fehlerhaft waren.

Charité erklärt Ursachen

Laut der Charité betrafen die meisten Prüfungen stationäre Behandlungen. Die Kürzungen erfolgten häufig wegen Fragen zur Länge des Aufenthalts oder zur Notwendigkeit stationärer Maßnahmen. Die Klinik verwies auf das komplexe DRG-System, das Behandlungen in diagnosebezogene Fallgruppen einteilt.

Zusätzlich gebe es bei der Kodierung von Diagnosen (ICD) und Prozeduren (OPS) Interpretationsspielräume. Krankenhäuser und Prüfdienste werten dieselben Fälle mitunter unterschiedlich. Auch soziale und strukturelle Gründe führten zu längeren Klinikaufenthalten. Dazu zählen fehlende Pflegeplätze oder die fehlende häusliche Betreuung älterer Patienten.

Die Charité betonte, sie lasse Patientinnen und Patienten nicht allein, wenn eine sofortige Entlassung aus sozialen Gründen unmöglich sei. Diese Tage würden jedoch vom Medizinischen Dienst häufig aus wirtschaftlichen Gründen infrage gestellt.

Einschätzungen des Medizinischen Dienstes

Birgit Heukrodt, Leiterin des Geschäftsbereichs Medizin beim MD, erklärte, dass man den Kliniken keine Absicht unterstelle. Viele Fälle beruhen auf unterschiedlichen medizinischen Einschätzungen. Dennoch bleibe die Quote strittiger Rechnungen mit 50 bis 60 Prozent konstant hoch.

„Solange die Werte auf diesem Niveau bleiben, ist eine umfassende Überprüfung notwendig“, so Heukrodt. Die Kontrollen erfolgen teils durch Aktenprüfungen, teils in Gesprächen mit Klinikpersonal. Besonders häufig würden kleinere Verletzungen auffallen, bei denen Krankenhäuser stationäre Aufenthalte berechneten, obwohl eine ambulante Behandlung ausgereicht hätte.

Strukturelle Ursachen und Reformpläne

Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der Technischen Universität Berlin, sieht in den Ergebnissen ein strukturelles Problem. Er spricht von zu vielen Kliniken, die zu viele Patienten stationär behandeln, obwohl eine ambulante Behandlung möglich wäre. Der Grund dafür sei das System der Fallpauschalen, das wirtschaftlichen Druck auf Krankenhäuser ausübt.

Ab 2027 soll das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) die Finanzierung der Krankenhäuser neu regeln. Dann sollen 60 Prozent der Mittel als sogenannte Vorhaltevergütung gezahlt werden – also für die Bereitstellung medizinischer Leistungen, unabhängig von der tatsächlichen Patientenzahl. 40 Prozent sollen weiterhin über Fallpauschalen erfolgen.

Besonders kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum sollen profitieren, da sie künftig Geld für ihre Bereitschaft zur Notfall- und Grundversorgung erhalten. Damit soll verhindert werden, dass wirtschaftliche Zwänge zu unnötigen stationären Behandlungen führen.

Folgen für das Gesundheitssystem

Die Ergebnisse der Prüfungen zeigen, wie stark wirtschaftliche Anreize die Krankenhauslandschaft beeinflussen. Mit rund 120 Millionen Euro Rückforderungen allein in Berlin und Brandenburg steht die Branche unter erheblichem Druck. Die geplanten Reformen ab 2027 könnten langfristig dazu beitragen, Abrechnungsfehler zu verringern und die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern.

Die Diskussion um die richtige Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Patientenversorgung bleibt damit eines der zentralen Themen im deutschen Gesundheitssystem.

 Quelle: rbb24