Seit Wochen breitet sich die Geflügelpest in Deutschland rasant aus. Besonders stark betroffen ist Brandenburg, wo Wildvögel in bisher unbekanntem Ausmaß verenden. Das Virus H5N1 verursacht die schwerste Epidemie unter Vögeln seit Beginn der Aufzeichnungen. Experten beobachten eine besorgniserregende Dynamik, die sich über Landesgrenzen hinweg erstreckt.
Inhaltsverzeichnis:
- Friedrich-Loeffler-Institut warnt vor aggressivem Virus
- Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern besonders betroffen
- Geflügelhaltungen im Fokus der Seuchenkontrolle
- Zugvögel beschleunigen die Verbreitung
- Klimawandel verändert Ausbreitung und Zugverhalten
- Artensprünge auf Säugetiere nehmen zu
- Maßnahmen für Verbraucher und Landwirte
- Impfstrategien in Deutschland und Europa
- Ein andauerndes Risiko
Friedrich-Loeffler-Institut warnt vor aggressivem Virus
Das Friedrich-Loeffler-Institut meldet, dass sich das Virus genetisch weiterentwickelt hat. Vier neue Genotypen wurden seit November 2023 in Deutschland nachgewiesen. Diese Varianten zeigen eine besonders hohe Aggressivität und führen zu schweren Krankheitsverläufen.
Die Krankheit beginnt meist plötzlich. Nach einer Inkubationszeit von wenigen Stunden bis zu 21 Tagen scheiden betroffene Tiere bereits Viren aus. Typische Symptome sind:
- Appetitlosigkeit
- Durchfall
- Atemnot
- Wasseransammlungen im Kopf- und Halsbereich
Viele Tiere sterben innerhalb von ein bis zwei Tagen an Organversagen. Norbert Schneeweiß vom Landesamt für Umwelt beschreibt das Leiden der Tiere als „tragischen Anblick“. Noch nie zuvor wurden in so kurzer Zeit so viele Wildvögel durch Geflügelpest getötet.
Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern besonders betroffen
Seit den ersten Nachweisen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg verbreitet sich das Virus rasch. In Nordbrandenburg wurden bereits rund 1.750 tote Kraniche geborgen. Auch an der Landesgrenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt wurden mehr als 500 tote Tiere gefunden.
Das Landesamt für Umwelt rät dringend, Rastgebiete von Wildvögeln zu meiden. Dazu zählen:
- Linumer Teichgebiet
- Nuthe-Nieplitz-Niederung
- Nationalpark Unteres Odertal
- Gebiet des Gülper Sees
Schon kleinste Virusmengen können infektiös sein. Wildvögel wie Enten und Gänse tragen das Virus oft ohne Symptome und verbreiten es über große Distanzen. Krähen, Raben und Seeadler gelten ebenfalls als Überträger.
Geflügelhaltungen im Fokus der Seuchenkontrolle
Die Geflügelpest betrifft zunehmend große Betriebe. In Schleswig-Holstein und Vorpommern mussten 150.000 Tiere getötet werden.
Bereits Mitte Oktober wurden im niedersächsischen Cloppenburg 20.500 Puten vernichtet. Die Gesamtzahl getöteter Nutztiere liegt weit über diesen Werten.
Betroffene Halter erhalten Entschädigungen. Der Staat zahlt bis zu 50 Euro pro Tier, eine Erhöhung auf 110 Euro ist geplant, doch der Bundesrat hat noch nicht zugestimmt. Getötete Tiere dürfen nicht in den Handel gelangen.
In Sperrzonen dürfen gesunde Tiere nur unter strengen Auflagen verkauft werden. Produkte müssen deutlich gekennzeichnet und häufig direkt geschlachtet oder erhitzt werden. Frischware aus betroffenen Regionen gelangt nicht in den freien Verkauf.
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Zugvögel beschleunigen die Verbreitung
Besonders im Herbst steigt das Risiko. Etwa 400.000 Kraniche nutzen jedes Jahr den westeuropäischen Zugweg über Deutschland nach Frankreich und Spanien. Brandenburg liegt auf der Hauptroute. Dort sterben nun Tausende Tiere während des Vogelzugs.
Björn Eller vom Naturschutzverband Nabu Brandenburg erklärt, dass es der Kranichpopulation bislang gut ging. Mit der Epidemie drohe jedoch ein drastischer Rückgang. Auch andere Arten wie Reiherenten, Lachmöwen und Basstölpel sind betroffen.
Zwischen Oktober 2020 und April 2021 registrierte das Friedrich-Loeffler-Institut rund 1.200 Fälle bei Wildvögeln und 245 Ausbrüche bei Geflügel. Die aktuelle Situation übertrifft diese Zahlen deutlich.
Klimawandel verändert Ausbreitung und Zugverhalten
Ein wichtiger Faktor ist der Klimawandel. Er verändert Zugzeiten und -routen vieler Arten. Vögel kehren heute etwa drei Wochen früher zurück als vor 40 Jahren. Dadurch entstehen neue Infektionswege.
Früher war die Vogelgrippe ein Winterphänomen. Heute tritt sie das ganze Jahr über auf. 2024 erreichte das Virus sogar die Antarktis. Die Tierseuche betrifft derzeit 37 europäische Staaten.
Die weltweite Vernetzung durch Handel und Vogelwanderungen beschleunigt die Ausbreitung zusätzlich. Ein Teil des Anstiegs beruht auf verbesserten Überwachungssystemen und Diagnosen.
Artensprünge auf Säugetiere nehmen zu
Das Virus H5N1 befällt inzwischen auch Säugetiere. In den USA wurden mehr als 200 Milchviehbetriebe in 14 Bundesstaaten betroffen. Die Tiere litten unter hohem Fieber und starken Euterentzündungen. Sie gaben bis zu 90 Prozent weniger Milch, und in ihrer Milch wurden hohe Viruslasten gefunden.
15 Menschen infizierten sich dort mit dem Virus, vier durch direkten Kontakt mit Rindern oder deren Rohmilch. Das Friedrich-Loeffler-Institut bewertet das Risiko einer Einschleppung dieses Stammes nach Deutschland als gering. Dennoch zeigen diese Fälle das Potenzial für weitere Mutationen und neue Übertragungswege.
Die Übertragung auf den Menschen bleibt selten, doch sie ist theoretisch möglich. Das Robert Koch-Institut warnt, dass bei einer Infektion schwere Atemwegserkrankungen auftreten können.
Maßnahmen für Verbraucher und Landwirte
Der Verzehr von Geflügelfleisch, Eiern und anderen Produkten aus dem regulären Handel gilt als sicher. Das Virus wird bei einer Kerntemperatur von mindestens 70 Grad Celsius vollständig zerstört. Gut durchgegartes Fleisch und hart gekochte Eier stellen kein Risiko dar.
Menschen können das Virus jedoch indirekt weitertragen, etwa durch Tierkot an Schuhen oder Kleidung. Deshalb gilt:
- Keine toten Vögel anfassen
- Funde sofort dem Veterinäramt melden
- Geflügel vor Wildvögeln schützen
Besonders in Massentierhaltungen kann sich das Virus innerhalb weniger Stunden ausbreiten. Ein einziger infizierter Vogel kann einen gesamten Bestand gefährden.
Impfstrategien in Deutschland und Europa
In Deutschland ist eine Impfung gegen Vogelgrippe derzeit nicht erlaubt. Die EU gestattet sie seit 2023 unter Auflagen, doch es existieren noch keine zugelassenen Impfstoffe. Behörden befürchten, dass geimpfte Tiere das Virus weiterverbreiten könnten.
Deutschland setzt weiterhin auf konsequente Keulung und Hygienemaßnahmen. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und dem Friedrich-Loeffler-Institut erarbeitet derzeit eine Impfstrategie.
In Frankreich werden Impfstoffe bereits für Enten und Gänse verwendet, in den Niederlanden laufen Pilotprojekte. Die Schweiz testet Impfungen bei Zoovögeln. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bestätigt, dass Impfungen schwere Krankheitsverläufe verringern und das Tierwohl verbessern.
Trotzdem bleibt das Problem des Exports bestehen. Viele Handelspartner akzeptieren keine Produkte von geimpften Tieren. Daher bleibt die Branche vorsichtig.
Ein andauerndes Risiko
Die Vogelgrippe entwickelt sich zu einer globalen Tierseuche. Seit dem Jahr 2014 steigen die Fallzahlen kontinuierlich. Durch Mutation, Klimawandel und menschliche Einflüsse entsteht eine dauerhafte Bedrohung für Wild- und Nutzvögel.
Deutschland steht vor einer schwierigen Aufgabe: Seuchenkontrolle, Schutz der Tierbestände und internationale Zusammenarbeit müssen stärker koordiniert werden. Nur so lässt sich die weitere Ausbreitung von H5N1 langfristig eindämmen.
Quelle: rbb24